Grundfutterproduktion auf kontinentalen Dauergrünlandstandorten

Betriebsreportage mit der Agrargenossenschaft Goßmar e.G. (Heideblick)

Unser Fachberater Bertram Kühne nimmt Sie heute mit in den Süden Brandenburgs. Die Stadt Luckau liegt wenige Kilometer nördlich der Agrargenossenschaft Goßmar e.G. (Heideblick).  Der Landwirtschaftsbetrieb betreibt Milchproduktion und Ackerbau auf 4.100 Hektarn. Der Standort liegt nördlich des Lausitzer Grenzwalls und ist damit, wie sollte es anders sein, eiszeitlich geprägt. Die Betriebsflächen sind daher ein Wechsel aus Niederungen und mineralischen Ackerstandorten (Luckauer Becken). Die Ackerzahl schwankt zwischen 20 und 50 Bodenpunkten, wobei der Durchschnitt bei 35 liegt. Es gibt also weizenfähige Standorte, die Herausforderung liegt jedoch in der Heterogenität der Felder. Vor allem die jährlich wiederkehrende Vorsommertrockenheit macht in Bereichen mit einem deutlich erhöhten Tonanteil Probleme. Die Bonität ist unter den Bedingungen des Klimawandels überschätzt, weil Ton hohe Mengen Haftwasser nicht pflanzenverfügbar speichert und der Boden stellenweise zu Rissen neigt. Die Wiederbefeuchtung ist bei Starkregen nach langen Trockenphasen eingeschränkt. Ein konsequentes Zwischenfruchtmanagement hilft bei der langfristigen Steigerung der Infiltrationsleistung und Bodenwasserkapazität.

Die vom Betrieb bewirtschafteten 900 Hektar Grünland dienen als obligatorischer Bestandteil der Totalmischration für 1.200 laktierende Kühe. Die Nachzucht soll mit 800 Stück Vieh nicht vergessen werden. Bei der Grundfutterproduktion in den Niederungen dreht sich nicht alles um den Ertrag, auch die inneren Werte müssen stimmen. Das Milchvieh kann nicht nur nach den rechnerischen Entzügen von Milch und Fleisch ernährt werden, so wie wir Pflanzenbauer eben praktischerweise Pflanzenernährung verstehen. Die Milchkühe oder auch Mastrinder haben hohe physiologische Ansprüche. Daher sind Futtermittelkonzentrate essentieller Bestandteil bei der Rationsgestaltung. Jedoch gibt es Grenzen bei der Aufwertung der Ration. Vor allem dann, wenn das Grundfutter nicht ideal herangewachsen ist. Die Ernährung des Viehes ist der zweite Schritt in der Managementkette. Der Betriebsleiter muss die Weichen stellen, um mit der Düngung des Pflanzenbestandes, der Ernährung des Viehes möglichst gerecht zu werden, da eine ausgewogene Düngung immer für eine günstige Tierernährung sorgt.

Ein praktisches Beispiel ist der Säure-Basen-Haushalt der Totalmischration (TMR). Man kennt die Diskussion um die DCAB (Futter-Kationen-Anionen-Differenz) aus den letzten zwei Dekaden bei der Fütterung der Vorbereitungsgruppe (sechs Wochen ante partum), wobei der Einsatz saurer Salze zur Prävention der Gebärparese beigetragen hat.

DCAB (meq/kg TS) = (42,5 x g Na + 25,6 x g K) – (28,2 x g Cl + 62,3 x g S)

(Quelle: https://www.lkvsachsen.de/fileadmin/Redaktion/LKSLabor/Blog/KW_44_DCAB_Hoffmann.pdf )

Die Formel zum DCAB ist keine Gewichtung der Elemente, sondern die Faktoren gleichen die unterschiedlichen Atomgewichte und die Wertigkeit aus. Daher gibt es keine rechnerische Überhöhung eines Elementes. Das ist insofern wichtig, weil Pflanzen die Nährstoffe in unterschiedlicher Höhe aufnehmen und dementsprechend in verschiedenen Konzentrationen daraus bestehen. Daher auch die Einheit: Millie-Äquivalent (meq) je kg Trockensubstanz

Der DCAB sollte in der TMR für laktierende Rinder zwischen 200 und 350 (meq/kg TS) liegen (STAUFFENBIEL et al; 2016).

In der letzten Dekade hat sich der Aufbau der TMR stark verändert. Zum einen bezogen die Milchvielbetriebe vermehrt Sojaextraktionsschrot aus gentechnisch veränderten Organismen (GVO). Zuerst wurde das durch Anreize durch die Molkereien verdrängt, um GVO-freie Milchprodukte am Markt zu platzieren. Das Sojaextraktionsschrot aus Übersee wurde in der Milchviehfütterung durch heimisches Rapsextraktionsschrot substituiert. Beide Futtermittel haben zwar bei hoher Energiedichte eine hohe Proteinkonzentration, jedoch unterscheiden sie sich im Säure-Basen-Haushalt, ausgedrückt im DCAB, ganz erheblich (Vergleich: Sojaex. DCAB +235; Rapsex. DCAB -635). Damit sind die Rationen für die laktierenden Herden insgesamt physiologisch deutlich saurer geworden, weil Rapsextraktionsschrot mehr Schwefel (z.B. aus schwefelhaltigen Aminosäuren, höhere nutritive Wertigkeit) enthält, was der Milchbildung zu Gute kommt. Die dauerhafte Unterschreitung des DCAB-Grenzwertes führt zu einer subklinischen Acidose. Das belastet den Stoffwechsel enorm und schreibt sich neben anderen Erscheinungen in einem erhöhten Besamungsindex fest, weil die Follikel offenbar sehr sensitiv sind. Damit rückte der DCAB in der Fütterung der laktierenden Rinder immer mehr in den Focus der Rationsgestaltung und vor allem dürfen die Grundfutterkomponenten den Säure-Basen-Haushalt nicht zusätzlich belasten.

Zum anderen gibt es durch den Klimawandel einen starken Einfluss auf die Bodenhydrologie. Im Jahresverlauf kommt es auf Grund von erhöhten Durchschnittstemperaturen (Motor der Transpiration) zu deutlich kleineren Sickerwasserereignissen, was für den Erhalt der Nährstoffe in der Wurzelzone gut ist. Jedoch könnten damit auch höhere Chloridmengen in der Wurzelzone verbleiben, welche sonst auch innerhalb der Vegetationszeit verlagert wurden. Auf winternassen Standorten wird Chlorid auf Grund der großen Hydrathülle stärker verlagert als andere Nährelemente. Grasbestände sind nicht wie zum Beispiel Kartoffeln gegen Chlorid empfindlich, ganz im Gegenteil. Chlorid ist für viele Stoffwechselvorgänge von Pflanze und Tier essentiell. Chlorid wird von der Pflanze sehr gut aufgenommen, wobei Grünland bei hohem Angebot zu Luxuskonsum neigt. Damit ist insgesamt eine Akkumulation von Chlorid im Oberboden nahezu ausgeschlossen.

Was für die Pflanzenernährung in Nordostdeutschland keine negativen Folgen hat, kann aber in der TMR zum Absenken des DCAB führen, weil Chlorid physiologisch sauer wirkt.

In der Vegetationsperiode kommt es nicht selten durch eine unzureichende Niederschlagsverteilung zu deutlichen Mindererträgen. Die Düngesalze werden auf Grund der Ertragsdifferenz nicht immer ausreichend stark durch den Ertragszuwachs verdünnt, was auch Folge einer unausgewogenen Düngung (Mangel) sein kann.

Als dritten Fakt kann man festhalten, dass es durch Kapriolen am Agrarmarkt zu heftigen Preisausschlägen bei den Grund- und Stickstoffdüngemitteln kam, die Grundnährstoffversorgung der Pflanzenbestände aber mehr vernachlässigt wurde als die Stickstoffdüngung. Hier ist vor allem Kalium zu benennen, welches physiologisch basisch wirkt und bei der Düngung von Gräsern der wichtigste Gegenspieler von Chlorid ist. 

Auf Grund des ausgleichenden Verrechnungsfaktors in der Formel (siehe Kasten oben) für den DCAB könnte man annehmen, dass die Nährelemente Schwefel und Natrium die gewichtigen Parameter in der Pflanzenernährung sind, um den DCAB zu beeinflussen. Das ist nicht der Fall, weil die Konzentration der einzelnen Nährstoffe in die Pflanze zum Schnittzeitpunkt sehr stark voneinander differieren.

Nach Verrechnung der idealen Nährstoffkonzentrationen (Tabelle 1) in der Pflanze zeichnet sich klar ab, dass die Nährelemente Kalium und Chlorid für den DCAB von Anwelksilagen von entscheidender Bedeutung sind. In Freilandversuchen hat sich jedoch gezeigt, dass die Nährstoffkonzentrationen in Abhängigkeit der Düngung im Pflanzenbestand zum Zeitpunkt des Schnitts beträchtlich schwanken können, weil die Pflanze durchaus Luxuskonsum betreibt, wenn das Angebot sehr üppig ist.

Ein Luxuskonsum wird vor allem für Natrium und Chlorid ersichtlich, wobei Kalium auch Gefahr läuft, den physiologisch idealen Grenzwert für die Milchviehfütterung zu übersteigen. Im Versuch ist das aber nicht ersichtlich, weil die Kaligaben zu den Schnitten aufgeteilt wurden. Je nach Variante (Kieserit, Kaliumsulfat, Kainit, 60er Kali, Kornkali), kam es aber zu einer deutlich erhöhten Bereitstellung von Schwefel, Natrium und Chlorid für die jeweilige Wachstumsperiode. Für Schwefel bleibt klar festzuhalten, dass auch bei sehr hohem Angebot von Schwefel, kein Luxuskonsum betrieben wird. Der Säure-Basen-Haushalt kann von Schwefel in Anwelksilagen auf Grund der generell geringen Konzentration überhaupt nur moderat negativ beeinflusst werden.

Bestandesführung

In der Agrargenossenschaft Goßmar e.G. dominiert der erste Schnitt in Ertrag und Qualität, was auch an der intensiven Führung der Bestände liegt. Eine regelmäßige Nachsaat mit Weidelgräsern, welche üblicherweise unter den trockenen, kontinentalen Gegebenheiten verdrängt werden, hält die Narbe modern. Die heute üblichen Nachsaatmischungen mit verschiedenen tetraploiden Weidelgräsern haben von Hause aus eine Ertragsdominanz im ersten Schnitt.

Ein wesentlicher Faktor ist auch die Gülleausbringung im Herbst. Die Grasbestände können so wichtige Reservestoffe (Kalium, Phosphat) aufnehmen und treiben im Frühjahr zeitig aus. Vor dem ersten Schnitt erfolgt kein Einsatz von Wirtschaftsdüngern, das hat mehrere wichtige Gründe. Zum einen wird der Boden in den Niederungen geschont, denn hier steht zum Teil Grundwasser knapp unter Flur an. Zum anderen müssen keine Grundfutterverschmutzungen befürchtet werden, denn es gab schon einige Jahre ohne nennenswerte Niederschläge in den Monaten März und April. Ein zusätzlicher Punkt ist die bessere Verwertung der Gülle auf dem Acker zu Mais in größeren relativen Anteilen und in Getreide als Teilgabe.

Das hat natürlich zur Folge, dass Grünland zum ersten Schnitt ausschließlich mineralisch gedüngt wird. Die Wahl fällt in der Agrargenossenschaft Goßmar e.G. auf PIAGRAN® pro und PIAMON® 33-S, da bisher auch im Ackerbau sehr gute Erfahrungen mit harnstoffbasierten Düngemitteln gesammelt wurden, diese sieht Mario Schwarze, (Pflanzenproduktion),  im Grünland bestätigt. Ein weiterer Grund für den Verzicht auf Wirtschaftsdünger zum ersten Schnitt ist die DüV, denn auf Niedermoorstandorten ist generell eine Nachlieferung von 80 kg N/ha anzurechnen. Für eine sichere Ertragswirkung der Düngemittel zum ersten Schnitt ist rechnerisch kein Platz für Wirtschaftsdünger mit einem kurzfristig unkalkulierbarem Mineraldüngeräquivalent (z.B. kaltes Frühjahr).

Mit der Anschaffung eines pneumatischen Großflächenstreuers wurden auch Düngermischungen, welche sich sonst ausschlossen, interessant. So wird Kornkali eingemischt und es können die stärker der Verlagerung unterliegenden Nährstoffe Stickstoff, Schwefel und Kalium sowie Magnesium im Frühjahr in einer Überfahrt ausgebracht werden. Nicht unerhebliche Mengen Phosphat werden über die Herbstgülle appliziert. Damit ist die Düngung aus Sicht der Pflanzenernährung komplett.

Wichtig für das Milchvieh ist der Blick auf Chlorid, welches zwangsläufig mit dem Kornkali (40 % K2O, ca. 35 % Cl) und der Gülle ausgebracht wird, denn Kalium aus Gülle ist vorwiegend als Kaliumchlorid gebunden. Bisher gab es keinerlei Probleme in der Milchviehherde mit dem Besamungsindex mit Blick auf den DCAB. Die Herde ist ganzjährig Teil der Milchleistungsprüfung des Landeskontrollverbandes Berlin Brandenburg eV und steht derzeit auf Platz 11 nach FEK-Leistung. Bei den Milchinhaltsstoffen ist Anja Müller-König, (Vorstand), mehr als zufrieden. Das Milchprotein mit 3,5 % bei Werten um 200 mg Harnstoff sowie 4,05 % Fett sind erstklassig und ausgewogen. Die Ration kann auch mit hohen Anteilen Anwelksilage (erster Schnitt) ausgeglichen gestaltet werden, da der DCAB ausgewogen ist und die Konzentrationen der wertgebenden Bestandteile Rohprotein (>17 %, nXP 13,9 %) und die Verdaulichkeit der organischen Masse (>75 %) Spitzenwerte erreichen. Auch die Energiedichte mit Werten um 6 MJ (NEL) liegt im Bereich des besten Viertels im Vergleich der intensiven Anwelksilagen im ersten Schnitt für das Erntejahr 2023 (Jahresbericht 2023 Landeskontrollverband Berlin Brandenburg eV).

Praktische Hinweise

Gibt es Probleme mit einem zu niedrigen DCAB in der Anwelksilage, so kann man Abhilfe schaffen. Zuerst sollte die Kaliumkonzentration betrachtet werden. Sind diese Werte gering, so genügt gegebenenfalls eine Erhöhung der Gaben auf ein Niveau oberhalb des Pflanzenentzuges. Es sollten aber nicht mehr als 100 kg K2O/ha zu einem Schnitt gegeben werden, da die Pflanzen zu Luxuskonsum neigen.

Wurde in den vergangenen Jahren nicht auf Kaliumgaben verzichtet und es ist eine hohe Konzentration in der Anwelksilage vorhanden, so bleibt nur der Verzicht auf Chlorid. Da 40er Kali und 60er Kali chloridhaltig sind, wird bei der Ausbringung des Hauptnährstoffes auch Chlorid appliziert, welches den DCAB senkt. Der Einsatz von Patentkali oder Kaliumsulfat macht die Kaliumdüngung auch chloridfrei möglich, wenngleich die aufwändigere Herstellung dieser Produkte bezahlt werden muss.

Ein Verzicht auf Schwefel ist nicht empfehlenswert, da Schwefel unbedingt für die Proteinsynthese in der Pflanze benötigt wird. Ein Verzicht auf den physiologisch sauer wirkenden Schwefel hätte daher stark negative Folgen für die Rationsgestaltung, da teure Proteinkonzentrate zugeführt werden müssten. Des Weiteren ist mit Ertragsdepressionen zu rechnen, was die Unausgewogenheit der Nährstoffe noch potenziert. Schwefel wird darüber hinaus auch bei überschüssiger Düngung nicht im Luxus aufgenommen.

Natrium gibt es am Markt nur in Verbindung mit Chlorid. Chloridfreie Kaliumdünger enthalten kein Natrium. Dieser Nährstoff steigert die Schmackhaftigkeit des Futters, was für Hochleistungstiere durchaus relevant sein kann. Daher ist 40er Kali (4 % Na2O, 40 % K2O, 5 % S, 36 % Cl) im Vergleich zu 60er Kali (60 % K2O, 47 % Cl) nutritiv überlegen, obwohl das Verhältnis von K2O zu Cl enger ist. Erwähnt werden sollte auch die Ionenkonkurrenz von Kalium und Natrium. Wird ausschließlich Kalium gedüngt, so wird Natrium zum Teil verdrängt. Daher ist es auch hier wichtig, diese Nährstoffe in der AWS durch ein Fachlabor ausweisen zu lassen.

 

Wir bedanken uns bei den Interviewpartnern Dr. Anja Müller-König (Vorstand) und Mario Schwarze (Pflanzenproduktion).