Zeitgeist hinterfragen

Neue Entwicklungen kommen auf den Markt und sollen natürlich in den Betrieben zu Vorteilen führen. Neue Technologien müssen aber auch bezahlt werden können. Die Zukunft hält viele Herausforderungen für uns bereit. 

In der Presse und auf vielen Dialogen wird die Zukunft jedoch oft dunkel gezeichnet. Schlagworte wie Wirkstoffverlust, GAP-Bürokraten, Verweigerung moderner Zuchtverfahren und auch die Düngeverordnung lassen die Nackenhaare oft hochstehen. Dem entgegen gibt es aber viele positive Attribute in der Agrarbranche.

In den letzten Jahren gab es keine längerfristige Knappheit bei Betriebsmitteln, nur die Verteilung hat nicht funktioniert, weil durch mediale Berichterstattung Hamsterkäufe an der Tagesordnung waren. Man denke nur an AdBlue® während der Coronapandemie. Die Züchtung hat sich den Anforderungen der Politik und des Marktes gestellt. Viele Sorten haben heute eine viel bessere Resistenzausstattung und das bei gestiegenem Ertragsniveau. Auch bei der Betrachtung der Qualitätseigenschaften gibt es viel Gutes zu berichten, genauso ist es bei der N-Effizienz. Die gebotenen Managementinstrumente für Betriebe sind wie Pilze aus dem Boden gewachsen. Heute gibt es kostenfreien Zugriff auf Satellitendaten und Drohnen dienen nicht mehr nur für gute Foto- und Filmaufnahmen.  Inzwischen können Drohnen säen, düngen und biologischen Pflanzenschutz betreiben. Es gibt Hackroboter, selbstfahrende Ackerschlepper und eine Vielzahl von Sensoren. Vor 20 Jahren waren das höchstens gute Ideen im Landtechnikseminar. In der Tierhaltung hat sich die Robotik bereits deutlich stärker durchgesetzt. Melken, Futter anschieben, Entmistung, Erkennungssysteme haben sich bereits für die Brunft und Krankheit etabliert. An die Chancen und Risiken der künstlichen Intelligenz müssen wir uns erstmal herantasten.

Düngemittel sind zurzeit zu annehmbaren Preisen verfügbar, es gibt aber einen wesentlichen Unterschied zwischen den üblichen Grundnährstoffen und Stickstoff. Der Motor des Ertrages unterliegt der Düngeverordnung. Darin ist Phosphat auch enthalten, aber hier kann noch über die Fruchtfolge hinweg gedüngt werden. Für Stickstoff gilt die jährlich zu erstellende Düngebedarfsermittlung. Als Konsequenz bedeutet das: Was im Anwendungsjahr nicht appliziert wird, kann im Folgejahr nicht nachgeholt werden. Der Boden hat aber ein erbarmungsloses Gedächtnis und man sollte nicht von der Substanz leben.

Ganz so einfach ist es natürlich nicht, denn es gibt auch ein Verlustpotential in der vegetationsfreien Zeit, aber der Aufbau von organischer Masse ist niemals frei von Stickstoff. Es gilt also, pfiffige Wege zu finden. Die auf phytosanitäre oder agrotechnische Anforderungen angepassten Fruchtfolgen müssen hinterfragt werden. Kann uns der Klimawandel dabei vielleicht helfen, wenn auch die Sommer trotzdem heißer und trockener werden? Die Vegetationszeit ist deutlich länger. Sie beginnt regelmäßig früher und das Wachstum bleibt im Jahresverlauf deutlich länger und ist im September und Oktober merklich intensiver.

Fruchtfolgen können daher nach dem Gesichtspunkt der Nährstofferhaltung im System Boden/Pflanze verbessert werden. Ein Beispiel ist die Platzierung von Winterraps nach Weizen an Stelle von Gerste. Erstens, können moderne Gerstensorten die Vorfruchtwirkung von Raps ebenso sehr gut aufgrund ihrer Ertragsfrühe und daraus resultierender Stabilität sehr gut umsetzten.  Zweitens, hinterlässt Weizen in der Regel hohe Residualstickstoffmengen, welche vom Winterraps sehr gut aufgefangen werden können. Nebenbei spart man sich die im Frühjahr anzurechnende Herbstdüngung im Raps. Dank des Klimawandels gibt es dabei keine Probleme mit der Saat-oder Druschzeit. Die Kulturanteile in der Fruchtfolge bleiben dabei unberührt.

Ein wesentliches Problem des Klimawandels bleibt aber die regelmäßige Wasserversorgung in der Vegetationszeit. Hier sollte man noch mehr Energie aufwenden, denn in Kombination mit Hitzestress fangen die Erträge an zu wackeln. Hier ist die Forschung gefragt, aber auch der Betriebsleiter selbst muss hier sein Denken anpassen. Ein Zwischenfruchtbestand darf nur so lange Wasser verbrauchen, wie er Nährstoffe assimiliert und den folgenden Hauptfrüchten dient (Bedingungen verbessert). Ist der Scheitelpunkt erreicht, so kann die Zwischenfrucht absterben und noch als Erosionsschutz dienen. Die Aussagekraft von Saatstärkenversuchen sind oft gering, aber jedes Prozent zählt. Bei Mais und Sonnenblumen gibt es stärkere Effekte als bei Getreide. Die Züchter forschen hier aktiv und Aussaatkarten sind bereits üblich geworden. Neuerdings beginnen Züchter auch Wissen über das Wurzelwachstum zusammenzutragen. Die Kenntnis des Standortes ist darüber hinaus eine Grundvoraussetzung und auch hier gibt es Hilfe aus der Landtechnik. Es gibt Lösungen, aber ohne hochqualifiziertes Personal, welches die Daten analysiert und interpretiert, wird es nicht gehen.

Attraktive Unternehmen haben hohe Chancen gut ausgebildete Leute zu beschäftigen. Das kann auch in der Primärproduktion sein, denn hier sind die Probleme einkommenswirksam. Hoch komplexe Ackerbausysteme in Abhängigkeit zum Standort müssen verbessert werden. SKW Piesteritz hat den Anfang in der Düngung gemacht. Das Verbundprojekt StaPrax-Regio steht vor dem Abschluss und Sie können sich auf zukunftsorientierte Düngestrategien freuen.

Es muss also nicht immer eine neue qualifizierte (bestens ausgestattetet) Maschine sein, es muss nicht immer verzichtet werden. Ein guter Ackerbau braucht eine Intensität mit Augenmaß und innovative Lösungen für die großen Fragen der Zeit. Das sind aus meiner Sicht weniger die täglichen Hiobsbotschaften, sondern der Erhalt von Nährstoffen im System Boden-Pflanze (Auswaschung, Bodenfruchtbarkeit, Kohlenstoffkreislauf), die Betriebsleiterkompetenz in der Primärproduktion zu erhalten (Attraktion des Arbeitsplatzes für kluge Köpfe) und sich dem Klimawandel (Wasser, Hitze, Extremwetter) anzupassen.