Ertragsaufbau beachten

Die Herausforderungen an die Stickstoffdüngung haben sich nie in solchem Maße innerhalb so kurzer Zeit geändert. Hier sind einerseits die Preissteigerungen bei den Betriebsmitteln gemeint, andererseits haben die Konsumpreise an den Börsen einen Aufschwung erlebt. Die Wirtschaftlichkeit der Stickstoffdüngung ist also in den meisten Fällen gegeben. Nichtsdestotrotz müssen bei der Liquiditätsplanung für die Saison erhebliche Zugeständnisse gemacht werden, auch Pflanzenschutzmittel und Energie sowie Kraftstoff werden teurer. Die wirtschaftlichen Einflüsse limitieren die Stickstoffdüngung in diesem Jahr also stärker, als das die Düngeverordnung ohnehin zu tun vermag. Es ist aber zu bedenken, dass die Erträge der Saison 2022 die Höhe der Düngebedarfsermittlung für die Ernte 2023 mit beeinflussen.

Die wichtigste Kultur ist der Weizen, denn diese Kultur bietet die nötige genetische Variabilität und zeigt aufgrund der Zusammensetzung der Ertragsfaktoren, welche zu unterschiedlichen Zeitpunkten beeinflusst werden können, große Reaktionen auf die Düngung. Die zusammenspielenden Ertragsfaktoren sind die Ährendichte [Ä/m2], die Kornzahl je Ähre [n] und die Tausendkornmasse [g], welche am Ende den Ertrag/ Flächeneinheit bilden.

Vom Vegetationsbeginn bis zum Schossbeginn kann die Ährendichte (Ä/m2) über die Anzahl kräftiger Triebe angepasst werden. Je nach Saatstärke und Saatzeitpunkt kann der Bedarf sehr variabel sein, in aller Regel ist dieser aber nur gering, weil im Osten meistens pünktlich und tendenziell kräftig gedrillt wird.

Ein dünnerer Bestand bildet aufgrund der geringeren Triebkonkurrenz stärkere Ähren aus. Die Kornanzahl je Ähre korreliert also negativ mit der Bestandsdichte, das gilt auch unter Luxuskonsum innerhalb der jeweiligen Umwelt. Zur Unterstützung der Kornanlage und Absicherung des Ertrages sollte der Stickstoff spätestens ab BBCH 32 fließen, denn ab diesem Zeitpunkt ist die Reduktion der Triebdichte abgeschlossen. In jedem Fall muss man sich im Vorfeld keine Gedanken über die Anzahl der Ähre machen, das Potenzial ist deutlich größer als die Anzahl oftmals ausgebildeter Körner, nicht umsonst sind die verkümmerten Anlagen unter Stressbedingungen gut sichtbar.

Die Qualität (Rohproteinkonzentration) kann vor allem ab dem Fahnenblattstadium bis hin zum vollständigen Erscheinen der Ähre positiv beeinflusst werden. Eine lange Kornfüllungsphase hat eine höhere Tausendkornmasse (TKM) zur Folge. Eine verlängerte Kornfüllung aufgrund guter Umweltbedingungen hat aber immer eine Verdünnung der Proteinkonzentration durch die am Ende der Kornfüllungsphase dominierende Stärkeeinlagerung zur Folge. Gute Erträge werden daher aus gut besetzten Ähren mit großen Körnern (hohe TKM) generiert. Fließt der Stickstoff dabei aus den Speichergeweben und dem Boden gleichzeitig in die Körner, so steht einer guten Qualität nichts im Wege. Bei knappen Stickstoffvorräten in der Pflanze oder eingeschränkter Mobilisierung aus dem Boden (+ Qualitätsgabe) kann es mit der Proteinqualität schnell knapp werden, hier spielt die Umwelt die erste Geige. Für Spitzenerträge über 8 t/ha, welche im Osten regelmäßig nur an den Küstenlagen oder auf ausgesprochenen Gunstböden erreicht werden, muss auch die Ährendichte ab Vegetationsbeginn gefördert bzw. erhalten werden, hier werden mehr als 400 Ähren/m2 benötigt.

Knapp zusammengefasst sollte daher über die Verteilung des Stickstoffs im Weizen Bilanz gezogen werden. Auf den meisten Standorten wird sich eine moderate Verknappung der Stickstoffmenge in der ersten Gabe nicht negativ auf die Erträge auswirken. Die zweite Gabe (ab BBCH 31) sollte nicht zu knapp bemessen werden, um die grundsätzlichen Erträge abzusichern. Für die Qualitätsgabe muss ab Mitte Mai neu bewertet werden, welche Voraussetzungen in der Saison gegeben waren und wie eine Wetterprognose für die Kornfüllungsphase ausfällt, hier liegt ein großes Einsparungspotenzial in Depressionsjahren. Eine positive Prognose sollte in jedem Fall zur Steigerung von Ertrag und Protein genutzt werden. Nur auf Hochertragsstandorten sollten ab Vegetationsbeginn Bestandsdichten über 600 Ä/m2 angestrebt werden.