Komfort ohne Reue

Eine der spannendsten Diskussionen findet immer wiederkehrend über die CO2-Bilanz von Agrarbetrieben statt. Auf der einen Seite wird die Agrarindustrie verteufelt und der CO2-Fußabdruck durch die alleinige Negativbilanzrechnung je Flächeneinheit für konventionelle und vor allem für viehhaltende Betriebe verschlechtert.

Auf der anderen Seite ist bekannt, dass bei einer Einschränkung der Produktivität in Europa zu Gunsten des Klimawandels an anderen Orten der Welt die Kultivierung von wertvollen Landschaften voranschreitet beziehungsweise beschleunigt wird. Der Grund dafür liegt in der Verknappung der Primärprodukte. Die Preise steigen und so lohnt es sich zunehmend weniger, produktive Landstriche urbar zu machen. Des Weiteren steigt der Fleischkonsum in Entwicklungs- und Schwellenländern rasant an, was einen zusätzlichen Verbrauch von pflanzlichen Primärprodukten zur Folge hat. Die Weltbevölkerung wächst unterdessen stetig an.

Aus diesem Dilemma kann man sich nicht befreien, wenn man nicht nach ethischen Antworten forscht. Antworten wird es heute keine geben. Sicher ist in jedem Fall, dass einheimische Bauern von knappen Lagerbeständen von Agrargütern auf dem Weltmarkt monetär stärker profitieren werden, als der Rest der einheimischen Gesellschaft für Lebensmittel tiefer in die Tasche greifen muss.

Betrachtet man nochmal die erste Seite der Medaille, muss noch erwähnt werden, dass nicht einmal das Argument der Stückkosten Geltung hat, also die Emissionen pro Produktionseinheit, nur die Hektarbilanz sei entscheidend. Wenn man den Klimawandel ernst nehmen würde, könnte man so kaum argumentieren. Bei der Hektarbilanz wird die CO2-Bindung durch den Pflanzenbestand nicht verrechnet, weil man davon ausgehen kann, dass die erzeugten Früchte und Rohstoffe relativ schnell verarbeitet beziehungsweise verbraucht werden und das gebundene CO2 letztendlich durch den Verbraucher freigesetzt wird. Am Ende dieser Kette steht immer der Konsument: sei es dessen Fleischkonsum, sein Sojadrink oder die Bioethanol-Beimischung im Benziner.

Nur eine rechnerische Bilanzierung und Belastung der Endverbraucherprodukte mit einer CO2-Abgabe – seien es Nahrungsmittel oder Autos – wäre am Ende durchdacht und fair für Produzenten und Verbraucher. Für Autos beträgt der geschätzte CO2-Fußabdruck übrigens in etwa 350 kg je 1.000 € Investitionshöhe [https://www.carbon-connect.ch/de/co2-emissionen-autoproduktion/]. Damit ist klar, dass die Kosten von etwa 250 € CO2-Abgabe (25 €/t CO2) für ein 30.000 € teures Auto den Konsumenten kaum belasten werden, beim Kraftstoffverbrauch sieht es schon anders aus. Je nach Verbrauch und Kraftstoffart liegen die Emissionen bei etwa 150 g bis 200 g/km. Für einen Pendler im Kleinwagen bedeutet die CO2-Abgabe etwa eine Mehrbelastung von 50 €/Jahr (15.000 km). Für einen Handlungsreisenden mit höherer Fahrleistung und Fahrstrecke (40.000 km/a) bedeutet es eine Mehrbelastung von möglicherweise 200 €/Jahr für den Arbeitgeber.

Aber wie sieht es beim Ackerbau aus? Hier entstehen durchschnittlich 2,1 Tonnen CO2-Aquivalente je Hektar und Jahr für die Produktion und die Betriebsmittel (je nach Kultur und Intensität). Nach Angaben des Umweltbundesamtes [https://www.umweltbundesamt.de/daten/land-forstwirtschaft/beitrag-der-landwirtschaft-zu-den-treibhausgas#treibhausgas-emissionen-aus-der-landwirtschaft] hat die deutsche Landwirtschaft 2020 etwa 60,4 Millionen Tonnen CO2-Aquivalente emittiert (8,2 Prozent der Treibhausgasfreisetzung). Die ackerbaulich freigesetzten CO2-Äquivalente betragen in etwa 25 Millionen Tonnen (11,8 Millionen Hektar Ackerfläche), 80 Prozent stammen dabei direkt aus der Bewirtschaftung von Böden. Die zu beziffernden Stickstoffverluste (N), bei denen Lachgas (N2O) entsteht, sind sehr klein. Jedoch ist die klimaschädliche Wirkung von Distickstoffmonoxid (N2O) sehr groß. Hier wird mit dem Faktor 310 als Äquivalent zu CO2 umgerechnet. Der Nebensatz, dass bei der stabilisierten N-Düngung mit ALZON® neo-N die Lachgasverluste um mehr als 50 Prozent gesenkt werden und bei PIADIN®-Einsatz sogar bis zu 75 Prozent Reduktion möglich sind, sei mir gegönnt.

Relevant ist aber auch die Bodenbearbeitung sowie die Umsetzung von organischen Materialien (Wirtschaftsdünger, Ernterückstände und so weiter) sowie die Ausbringung von Wirtschaftsdüngern und Gärresten und die Ausscheidungen von Weidetieren, welche allesamt in der Bewirtschaftung von Böden bilanziert werden. Die Landwirtschaft hat an vielen Stellen bereits gute Erfolge erzielt. Jedoch sind die Minderungen seit 1990 im Vergleich zu anderen Emittenten (Abfallwirtschaft, Energiewirtschaft, Industrie, Verkehr, Haushalte, Gewerbe, Handel, Dienstleistungen) vergleichsweise gering, weil es bei einem großen Teil der direkt der Tierhaltung zugeschriebenen Emissionen (Verdauungstrakt) nur sehr geringe Minderungspotentiale gibt. Hier sind verschiedene Lösungsansätze in der Diskussion – solche, die auf Treibhausgas mindernde Fütterungszusätze oder Futteraufbereitung abzielen und solche, die die Luftreinigung in der Stallabluft befürworten. Seit kürzerer Zeit gibt es nun das Haltungsform-Siegel im Lebensmitteleinzelhandel. Einige Partner haben sich darauf verständigt, mittel- und langfristig nur noch die Haltungsform drei und vier anzubieten. Diese schreiben aber eine Stallhaltung mindestens mit Außenklimabereich beziehungsweise offener Front oder Freilandhaltung vor. Es werden natürlich weitere Parameter im Haltungform-Siegel betrachtet – die Klimaziele jedoch nicht. Ein weiteres Potential wurde noch bei den Lagerstätten für Exkremente erkannt (Abdeckung, Wärmegewinnung, Luftwäsche).

Die Industrie und der Dienstleistungssektor machen es vor: Viele Betriebe sind heute schon CO2-neutral. Hier werden Bäume gepflanzt, Moore bewässert und anderswo Urwald gerettet. Weit gefehlt, man steckt eher Geld in große Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien, wie Windparks oder vertreibt effizientes Kochgeschirr in Dritte-Welt-Länder. Die damit eingesparten Emissionen in den Projektländern weltweit (Verbrennung von Kraftstoff vs. Windstrom oder Einsparung von Holz als Brennstoff) werden der heimischen Emission gutgeschrieben. Der Focus liegt dabei auf weniger entwickelte, ärmere Länder, um dort größere Effekte zu erreichen. Soziale und wirtschaftliche Fragen stehen dabei gleichberechtigt mit dem Klimawandel in Beziehung.

Der heimischen Landwirtschaft möchte man das Bonbon der Kohlenstoffspeicherung in den Ackerböden schmackhaft machen. Vor dem Hintergrund der schwindenden Wirkstoffe im herbiziden Spektrum und der Forcierung von mechanischer Unkrautbekämpfung (Mineralisierung) kann man nur dankend ablehnen. Bei einer unwahrscheinlichen Erhöhung des Humusgehaltes auch durch eine Erweiterung der Fruchtfolge und dem Anbau von Zwischenfrüchten um 0,02 auf 2,52 Prozent in der Krume, könnte man sich nach aktuellem CO2 Preis etwa 50 € je Hektar für die nächsten zehn Jahre gutschreiben.